Ganzheitliche Schulentwicklung
Strategie, Struktur und Kultur
Die Anforderungen an Schulen wachsen stetig – und mit ihnen die Komplexität der anstehenden Veränderungen. Ob Neubauten, Digitalisierung, neue pädagogische Konzepte oder der Aufbau von Tagesstrukturen: Schulentwicklung bedeutet heute weit mehr als die Organisation des Unterrichts.
Ganzheitliche Schulentwicklung: Strategie, Struktur und Kultur
In der Schweiz erlebt die Schulentwicklung eine Hochkonjunktur. Die Zukunft unserer Kinder ist ein zentrales Anliegen, und die bereits vielseitigen Anforderungen an Schulen steigen laufend. Schulleitungen müssen den Erwartungen unterschiedlichster Anspruchsgruppen gerecht werden – und das in einer Vielzahl von Themenbereichen. Denn eine Schule erbringt weit mehr Leistungen als die Sicherstellung des klassischen Unterrichts. Gleichzeitig ist sie an zahlreiche Vorgaben und Rahmenbedingungen gebunden. Dies führt dazu, dass an vielen Schulen mittlere bis grosse Transformationsprozesse und Projekte anstehen: Erweiterungs- und Neubauten, die Erarbeitung und Implementierung von Digitalisierungs- und IT-Strategien, die Entwicklung und Einführung neuer pädagogischer Konzepte oder der Aufbau von Tagesstrukturen sind nur einige mögliche Themen. Eine übergeordnete Frage steht dabei zusätzlich im Raum: Was darf eine Schule in Zukunft kosten? Eines ist sicher: Kontinuierlich steigende Kosten sind keine nachhaltige Lösung.
Ganzheitlicher Blick bei Schultransformationen
Für die erfolgreiche Umsetzung komplexer Transformationsprozesse ist die Gesamtsicht entscheidend. Sie beginnt mit einer klaren strategischen Ausrichtung, die alle relevanten Aspekte wie Umfeld, Politik, Technologie, Organisation und Pädagogik, genauso wie alle relevanten Anspruchsgruppen umfasst. Bevor Massnahmen initiiert werden, ist eine fundierte Auseinandersetzung mit der Ausgangslage und der Zukunftsausrichtung notwendig – das pädagogische Konzept, die Schulraumstrategie und das Schulprogramm sind dabei zentrale, aber nicht alleinige Grundlagen. Stehen verschiedene Schulprojekte an, ist die Zusammenführung der verschiedenen Zielsetzungen und Handlungsbedarfe umso wichtiger. So können die verschiedenen Vorhaben aufeinander abgestimmt werden.
Ein Beispiel: Wenn Schulraum fehlt, braucht es ein zukunftsgerichtetes pädagogisches Konzept neben der Schulraumplanung und einer aktuellen IT-Strategie (und einigem mehr), um den Bau aufgleisen zu können. Andernfalls kann es sein, dass die baulichen Massnahmen bereits bei der Einweihung nicht mehr den tatsächlichen Anforderungen entsprechen.
Ein konkretes Beispiel: Fusion dreier Schulgemeinden
Drei Schulgemeinden mit sechs Anschlussgemeinden fusionieren zu einem Schulkreis. Zunächst muss der politische Prozess durchlaufen und vom Stimmvolk angenommen werden. Anschliessend wird die neue Verbandsschulbehörde aufgebaut, die effizient und professionell im Milizsystem funktionieren soll. Parallel dazu startet der Neubau des gemeinsamen Schulhauses, was erneut ein politischer Prozess mit der Genehmigung des Baukredits nach sich zieht. Was wiederum eine durchdachte und abgestimmte Kommunikation erfordert – mit allen Anspruchsgruppen. Ist der Baukredit bewilligt, beginnt die Bauphase – eine Herkulesaufgabe, insbesondere wenn die gewählten Personen in den relevanten Gremien regelmässig wechseln. Der Verlust von Wissen und Erfahrungen kann das Projektrisiko erheblich erhöhen.
Gleichzeitig müssen die drei bestehenden Schulen schrittweise zusammengeführt werden – so weit wie nötig und so pragmatisch wie möglich, solange sie noch geografisch getrennt sind. Nach dem Einzug ins neue Schulhaus ändern sich die Rahmenbedingungen erneut, da das pädagogische Konzept nun vollständig umgesetzt wird. Abläufe müssen harmonisiert, Prozesse standardisiert und teilweise zentralisiert sowie stärker digitalisiert werden. Struktur und Kultur der Organisation stehen damit vor einem tiefgreifenden Wandel.
Langjährig etablierte Zusammenarbeitsformen funktionieren plötzlich nicht mehr. Beispielsweise ändert sich der Zugang zur Schulleitung, die nun für dreimal so viele Lehrpersonen und Schülerinnen und Schüler verantwortlich ist. Eine gewisse Hierarchisierung ist unvermeidlich, unabhängig vom gewählten Organisationsmodell. Bestimmte Kompetenzen und Verantwortlichkeiten, etwa im Finanzbereich, müssen zentral wahrgenommen werden. Gleichzeitig entstehen neue Kommunikationswege und Synergien: Fachspezifische Stellen wie IT, Kommunikation, HR oder Finanzen können durch Expertinnen und Experten besetzt werden, anstatt wie bisher von der Schulleitung in Personalunion. Abläufe, die bisher auf verschiedene Stellen verteilt waren, können zusammengeführt werden. Natürlich müssen lokale, kantonale und nationale Vorgaben berücksichtigt werden, was nicht immer zu einfacheren Strukturen führt. Dennoch gibt es genügend Gestaltungsspielraum, um eine Schule effizient zu organisieren – mit höherer Zufriedenheit für alle Beteiligten. Wenn sich alle auf ihre Stärken konzentrieren können, profitieren Lehrpersonen, das Verwaltungsteam und die Schülerinnen und Schüler – und letztlich auch die Erziehungsberechtigten und die Steuerzahlenden.
Agile Strukturen für nachhaltige Schulentwicklung
Die hohe Arbeitsbelastung an Schulen resultiert oft aus unklaren Zuständigkeiten, sodass sich viele Aufgaben unkoordiniert auf verschiedene Personen verteilen. Lehrpersonen sind engagierte und lösungsorientierte Menschen. Doch ohne klar definierte Zuständigkeiten – nicht nur im Klassenzimmer und den Lernlandschaften – entsteht ein Flickenteppich an Einzelinitiativen. Eine agile Organisationsstruktur mit klaren Rollen, integriert in ein formales Funktionsmodell, schafft Klarheit hinsichtlich Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung. Sie zeigt Entwicklungspfade transparent auf und ermöglicht eine nachhaltige Gestaltung von Prozessen. Durch eine agile Organisation können Rollen unabhängig von Personen zugewiesen werden – was interessante Entwicklungsperspektiven für Lehrpersonen und das Verwaltungsteam eröffnet: Denn eine Person – unabhängig von ihrer Funktion – kann mehrere Rollen wahrnehmen und sich kontinuierlich weiterentwickeln – gemeinsam mit der Organisation.
Der Schlüssel zum Erfolg: Zentral gesteuerte Transformation
Ein solcher Transformationsprozess muss gezielt gesteuert, regelmässig validiert und anhand gemachter Erfahrungen weiterentwickelt werden. Zudem gilt es, die Meilensteine und die Finanzen im Blick zu behalten, um rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen, sollte es zu Verzögerungen oder Budgetüberschreitungen kommen. Während sich der Fokus im Projektverlauf ändert, bleibt das Endziel konstant. Eine systematische und abgestimmte Kommunikation mit allen Beteiligten ist dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor. Der richtige Mix aus Einbindung, agilem Vorgehen und direktiven Vorgaben ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass alle Ergebnisse rechtzeitig und in der richtigen Form bereitstehen – unabhängig von personellen Veränderungen, schwierigen Ausgangslagen oder ambitionierten pädagogischen Konzepten.
Eine langfristig ausgerichtete Schultransformation benötigt eine durchdachte, auf den Gesamtkontext abgestimmte Strategie, stabile Strukturen und eine tragfähige Kultur – wie jede Organisation, die auf zufriedene und motivierte Beteiligte baut. Wer diese Elemente in Einklang bringt, schafft eine Schule, die nicht nur pädagogisch überzeugt, sondern organisatorisch zukunftsfähig ist und – gerade angesichts des Fachkräftemangels – eine attraktive Arbeitsumgebung bietet.
Fazit im Überblick
- Frühzeitige Planung und klare Strategie: Ohne eine übergeordnete Strategie bleibt die Transformation Stückwerk, was zu erheblichem Mehraufwand und Mehrkosten führt.
- Strukturierte Kommunikation: Eine verbindliche, transparente und nachvollziehbare Kommunikation ist essenziell, um die verschiedenen Anspruchsgruppen abgestimmt einzubinden.
- Zentrale Steuerung und Koordination: Transformationsprozesse mit verschiedenen beteiligten Parteien benötigen eine zentrale Projekt- oder Prozessbegleitung, die sicherstellt, dass alle relevanten Details rechtzeitig zur Verfügung stehen und vernetzt werden.
- Agile Organisationsstrukturen: Klar definierte Rollen und Verantwortlichkeiten ermöglichen es, Beteiligte frühzeitig zu informieren, ihren Entwicklungspfad zu gestalten und sie auf neue Rollen vorzubereiten.
- Wissen sichern und weitergeben: Regelmässige Dokumentation und Wissensmanagement helfen, kontinuierliches Lernen zu fördern und personelle Veränderungen abzufedern.
Februar 2025
Text: Bettina Freihofer, Alex Freihofer
Organisationsentwicklung und Schulentwicklung verfolgen im Kern das gleiche Ziel: eine zukunftsfähige, funktionale und wirksame Organisation zu gestalten. Während Organisationsentwicklung universell auf verschiedene Branchen anwendbar ist, berücksichtigt Schulentwicklung die besonderen Rahmenbedingungen des Bildungsbereichs. Die Prinzipien bleiben dieselben.