Jobdesign

Statt innere Kündigung: tolle Jobs

Die Arbeitnehmer:innen kommen zwar zur Arbeit. Machen aber nur Dienst nach Vorschrift. Sie haben innerlich gekündigt. Was tun – zumal innere Kündigungen lange unbemerkt bleiben? Es gibt ein Mittel, es ist sogar ziemlich handfest: Jobdesign.

2016 der iga-Report 33 ¹ : Ein Fünftel der deutschen Beschäftigten habe innerlich gekündigt. Jetzt, sechs Jahre später, September 2022, da kommt Gallup²: Die Hälfte der US-amerikanischen Beschäftigten habe innerlich gekündigt. Nun, das eine ist Deutschland. Und das andere sind die USA. Eine entsprechende Umfrage scheint es für die Schweiz nicht zu geben. Sagen wir also um des Argumentes willen: Bei uns hat ein Zehntel innerlich gekündigt. Auch diese relativ tief geschätzte Zahl lässt aufhorchen.

Eine innere Kündigung, gemäss Gablers Online-Wirtschaftslexikon³, ist eine "mentale Verweigerung eines engagierten Leistungsverhaltens": Man ist anwesend, erledigt aber nur Dienst nach Vorschrift. Es handelt sich um einen schleichenden, lautlosen Prozess. Dieser Prozess ist schwer erkennbar. Das Ziel ist es, den Lohn zu behalten.

Dienst nach Vorschrift 

Dienst nach Vorschrift also. Das ist etwas Brandgefährliches. Hört sich übertrieben an? Das ist es keineswegs. Zum Beispiel wenn in einer Gastroküche aus innerer Kündigung heraus Hygienevorschriften nicht eingehalten werden. Bakterien, Keime, Pilze gefährden Menschenleben. Und die Existenz des Restaurants. Ähnliche Gefahren gibt es in der Pflege, in der Medizin, bei Bahn-, Bus- und Fluggesellschaften. Auch wenn es nicht um Leben geht, schadet Dienst nach Vorschrift. Zum Beispiel im Supermarkt um die Ecke: Wenn es da Mitarbeitenden egal ist, die Brot Regale nachzufüllen, wird riskiert, dass das im Lager wartende Brot später weggeschmissen werden muss. Das schmerzt die Geschäftsführung doppelt: verlorener Umsatz und verlorener Materialwert. Innere Kündigungen gibt es auch auf Teppichetagen, und die können zu massiver Misswirtschaft führen; zum Beispiel, wenn ein Gut-zum-Druck nur durchgewinkt wird – und einige Tonnen Papier dann falsch bedruckt werden.

Die vorangehenden Beispiele sind erfunden, nehmen keinen Bezug auf tatsächliche Ereignisse. Doch lässt sich erkennen: Geschätzte schweizerische zehn Prozent mit innerer Kündigung – diese Mitarbeitenden können da ganz schön was anstellen.

Schluss mit inneren Kündigungen

Wer innere Kündigungen vermeiden kann, hat doppelte Vorteile: zum einen gegenüber den Mitbewerbern. Die müssen ja andere
Mitarbeitenden mittransportieren, die innerlich gekündigt haben. Und das führt unter anderem zu einem toxischen Arbeitsklima: Denn
leistungsbereite Mitarbeitende werden kaum Freundschaft mit ihren Kolleg:innen schliessen, die bloss nach Vorschrift arbeiten. Kommt innere Kündigung nicht vor, unterstützt das ein leistungsförderndes Arbeitsklima. Der zweite Vorteil: Das Unternehmen kann sich ganz und gar auf die Erbringung der Leistung konzentrieren. Ausserdem: Ein Unternehmen mit guten Arbeitnehmenden- Bewertungen hat beste Möglichkeiten, sich auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu positionieren.

Also: Schluss mit inneren Kündigungen. Aber wie? Das lässt sich an aktuellen Hinweisen aus dem Artikel "Saving Management From Our Obsession With Leadership", veröffentlicht in der MIT Sloan Management Review⁴, zeigen. Die Autoren Jim Detert, Kevin Kniffin und Hannes Leroy vermissen da die Manager:innen – denn manchmal brauche es zwar visionäre und inspirierende Führungspersönlichkeiten. Aber zuallererst benötige eine Organisation das, was halt völlig unspektakulär sei: Management für den Alltag.

Hintergrund ist die Beobachtung, dass eine ganze Menge Leute in den Pandemiejahren von der inneren zur tatsächlichen Kündigung übergegangen sind. Als Gründe  für dieses Phänomen sagen die Autoren: Die Leute kündigen Jobs, die lausig sind. Und lausig heisst, diese Jobs bieten keine Autonomie, keine Varietät, keine Möglichkeiten zu wachsen. Sie sind schlecht bezahlt,sie belohnen Leistung nicht fair. Sie haben unspezifische, nicht fassbare Rahmenbedingungen. Chronische Überlastung und Frustration werden nicht verhindert.

Und den Vorgesetzten mangle es an Management-Kompetenz, Vertrauenswürdigkeit und Fürsorge. Die Organisationen würden Verträge brechen und die ungeschriebenen Regeln von Vertrauen, Fairness und Gerechtigkeit missachten. Soweit einmal.

All das sind Gründe für innere Kündigungen. In diesem Fall mit dem Unterschied, dass die Leute eine Chance auf Besserung in einem anderen Job gesehen haben und deswegen tatsächlich gekündigt haben. Schlechte, gar toxische Führung, keine Wertschätzung, keine Feedbacks, unklare Aufgaben und Rollen, schlechtes Arbeitsklima – das hält niemand lange aus. Gibt es in diesen Gründen eine Hierarchie? Gibt es – wenn nicht eine grundlegende Ursache, dann doch einen Ansatzpunkt, der mithilft, alles andere geradezubiegen? Ja, es gibt so einen Punkt. Dieser Punkt hat tatsächlich nichts mit visionären Reden zu tun, da folgen wir den Sloan-Autoren.

Gut definierte und gut strukturierte Jobs machen den Unterschied

Vielmehr ist der Punkt ganz handfest: Es geht um schlecht definierte und ebenso schlecht strukturierte Jobs. Diese Jobs müssen gewandelt werden in gut definierte und strukturierte Jobs. Es braucht keine packende Rede, sondern packendes Handeln. Kurzfristig kann man den Mitarbeitenden ins Gewissen reden, visionär und inspirierend sein. Doch auf mittlere und lange Sicht stellt sich für jedes Unternehmen die Frage: Was sind unsere gut definierten und gut strukturierten Jobs? Und wie wirken sie im grossen Ganzen des Unternehmens? Das gilt es, im Einzelfall und immer wieder, genau anzuschauen, zu validieren, abzustimmen und weiterzuentwickeln. Mit Sorgfalt.

Gutes Jobdesign achtet auf die Anforderungen des Unternehmens: Die Aufgaben sollen möglichst effizient erledigt werden. Gleichzeitig achtet es auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden: Erschöpfung, Frustration, Burnout et cetera sind zu vermeiden. Zu fördern sind das Gefühl von Autonomie und Zugehörigkeit, das Wissen, kompetent zu sein, die Möglichkeiten, sich sinnvoll einzusetzen und einzubringen. Wichtig scheint auch folgende Erkenntnis: Die innere Kündigung so schwer wie nur möglich zu machen, beginnt mit befriedigenden Jobs – mit etwas also, das mit transparenter Aufgabenverteilung, klaren Abläufen, mit definierten Rahmenbedingungen und Verantwortung zu tun hat. Mit etwas, das eher mit einer vernetzten Organisationsstruktur zu tun hat als mit einer visionären Rede⁵. Dann stellt sich die Frage, wer diese tollen Jobs gestaltet. Im besten Fall sind es die Mitarbeitenden, gemeinsam mit ihren Manager:innen, und manchmal benötigen sie einen Anstoss von aussen. Es wird viel Arbeit sein, und zwar eine ganz konkrete, zusammenschweissende, vorwärtsdrängende – und eine äusserst inspirierende Arbeit.

 

Hinweise für Unternehmer:innen
  • Sind die Job-Aufgaben nach und nach gewachsen? Oder sind die Jobs analytisch designt?
  • Ist das Organisationsdesign in jeder Hinsicht agil?
  • Die Aufgaben verschiedener Jobs regelmässig aufeinander abstimmen
  • Klare Aufträge geben in einem klaren Rahmen
  • Klären, wer welche Rolle hat, wer was beiträgt
  • Die Mitarbeitenden sollen sich Zeit nehmen können, genau diese Dinge zu klären
  • Den Mitarbeitenden zuhören, besonders, wenn sie über einen Mangel berichten
  • Fragen Sie die, die den Job machen, nicht nur die Führungskräfte

 

Hinweise für Mitarbeitende
  • Bringen Sie es der Chefetage angemessen zur Kenntnis, wenn Sie zu viele oder zu wenige Aufgaben haben
  • Notieren Sie Ihre Aufgaben: was Sie tun, wie lange Sie für einzelne Aufgaben brauchen – so haben Sie Klarheit und eine Diskussionsbasis
  • Wenn Ihre Manager:in nicht nein sagen kann, sodass Sie schlussendlich zu viel zu tun haben, suchen Sie das Gespräch, ev. unter Beibezug der Personalabteilung
  • Manager:innen sind manchmal arrogant. Aber sie entscheiden, wie Ihr Job designt ist. Also ran an den Vorgesetzten
  • Sie wollen im Job gefordert, aber nicht permanent überfordert werden
  • Sie haben einen gut strukturierten Job verdient – und das Unternehmen auch
  • Innerlich zu kündigen, hält niemand wirklich lange durch: Nach innerer Kündigung kann es zu Depression, Sucht- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommen

 

November 2022
Text: Bettina Freihofer

 

Nachweise:
1 https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2016/iga-Report-33/_jcr_content/par/download_0/file.res/iga_Report%2033_1309_web.pdf
2 https://www.gallup.com/workplace/398306/quiet-quitting-real.aspx
3 https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/innere-kuendigung-40394/version-263779
4 Reprint #64104, sloanreview.mit.edu; https://sloanreview.mit.edu/article/saving-management-from-our-obsession-with-leadership/
5 Seltsamerweise sind gut designte Jobs in diesem Sloan-Artikel keine Erwähnung wert: Five Ways Managers Can Help Prevent Quiet Quitting, https://sloanreview.mit.edu/article/five-ways-managers-can-help-prevent-quiet-quitting/
6 Die 381 deutschen Personalverantwortlichen, die 2016 zum iga-Report 33 befragt wurden, bestätigen empirische Befunde dazu: https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2016/iga-Report-33.html 

 

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Publikation

Die Wirtschaftsfrau

Weitere Infos:
Die Wirtschaftsfrau (die-wirtschaftsfrau.ch)